Kleve: Drohende Abschiebung nach Tadschikistan in Haft und Folter

Erneut droht in Nordrhein-Westfalen eine Abschiebung in Haft und Folter. Die internationalen Menschenrechtsorganisationen Human Rights Watch, Freedom For Eurasia und Norwegisches Helsinki Komitee weisen auf die drohende Abschiebung des tadschikischen Oppositionellen Dilmurod Ergashev nach Tadschikistan hin, dem dort aufgrund seiner Zugehörigkeit und Aktivität für die in Tadschikistan verbotene oppositionelle „Gruppe 24“ die Gefahr von Inhaftierung und Folter drohen könnte. Die Organisationen fordern den sofortigen Stopp der geplanten Abschiebung. Der Kreis Kleve ist für diese Abschiebung verantwortlich. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge verweigert bisher einen Schutzstatus. Ergashev, der seit 2011 in Deutschland lebt, wurde vor einer Woche durch die Behörden festgenommen und nach richterlichem Beschluss im Abschiebegefängnis Büren inhaftiert. Mehrere Gerichtsverfahren sind in der Sache noch anhängig.

Sebastian Rose, Abschiebungsreporting NRW:
„Seit Monaten wird in der Landespolitik in Nordrhein-Westfalen nur noch über mehr und schnellere Abschiebungen gesprochen. Schutzsuchende Menschen und ihre Rechte geraten dabei völlig aus dem Blick.

Erst im letzten Jahr, 2023, hat Nordrhein-Westfalen den tadschikischen Oppositionangehörigen und zweifachen Familienvater Abdullohi Shamsiddin aus Dortmund nach Tadschikistan abgeschoben. Dort landete er direkt in Haft und wurde zu einer politisch motivierten Haftstrafe von 7 Jahren verurteilt. Berichten zufolge war er Opfer von Folter. Eine ähnliche Abschiebung darf sich jetzt in Kleve nicht wiederholen.

Nordrhein-westfälische Behörden dürfen nicht weiter mit den tadschikischen Behörden kooperieren, wie es in den Jahren 2022 und 2023 bei Sammelanhörungen bei der Zentralen Ausländerbehörde Essen geschehen ist und auch jetzt wieder geschieht. Tadschikische Oppositionelle werden so in große Gefahr gebracht und geraten direkt in die Hände ihrer Verfolger. Sie haben ein Recht auf Schutz.“

Tadschikistan wird in einem aktuellen Bericht von Human Rights Watch als von transnationaler Repression besonders betroffenes Land benannt. Damit ist gemeint, dass tadschikische Behörden systematisch Oppositionelle verfolgen, sowohl innerhalb als auch außerhalb des Landes. Besonders sind davon Angehörige von als verboten eingestuften Gruppen oder Parteien betroffen.

Im Herbst 2023 wurde zudem ein weiterer Oppositioneller, Bilol Qurbonaliev, aus Bayern nach Tadschikistan abgeschoben und dort zu zehn Jahren Strafhaft verurteilt.

Das Abschiebungsreporting NRW weist darauf hin, dass die intensiver gewordene politische Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Tadschikistan nicht dazu führen darf, dass Menschen in Verfolgung geraten. Bundeskanzler Scholz hatte Tadschikistans Machthaber Rahmon gemeinsam mit den Staatschefs der übrigen zentralasiatischen Staaten im September 2023 im Bundeskanzleramt empfangen. Im September 2024 trafen beide bei einem Treffen in Kasachstan erneut bilateral zusammen.

Das Abschiebungsreporting NRW hat sich über die drohende Abschiebung von Dilmurod Ergashev informiert und sich in der Angelegenheit an den Landrat des Kreises Kleve gewendet und um sofortige Überprüfung gebeten.

Kontakt:
Abschiebungsreporting NRW
Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V., Köln
Sebastian Rose
Telefon 0221 / 972 69 32
Mobil 01575 / 40 35 862
E-Mail: rose@abschiebungsreporting.de
www.abschiebungsreporting.de

Mehr:
Analyse von NGO zeigt: Tadschikisches Urteil gegen abgeschobenen Abdullohi Shamsiddin ist rechtswidrig, Report Abschiebungsreporting NRW, 21. August 2024

Unlawful court verdict against Tajik dissident Abdullohi Shamsiddin was based on evidence handed by German authorities, Bericht von Freedom For Eurasia vom 19. März 2024

В Таджикистане активист «Группы 24» приговорен к 10 годам заключения, in: Radio Ozodi vom 11. April 2024 (Bericht in russisch)

In Haft nach Abschiebung, in: taz vom 29. Januar 2024

Steve Swerdlow & USC Human Rights Group, Enforced Disappaerances in Tajikistan, 2023

Nach Abschiebung aus Dortmund: Abdullohi Shamsiddin in Tadschikistan zu sieben Jahren Strafhaft verurteilt, Report Abschiebungsreporting NRW vom 8. Mai 2023

Presseberichte:

Nach Tadschikistan. Aktivisten kämpfen gegen Abschiebung aus dem Kreis Kleve, in: Rheinische Post vom 05. November 2024

Abschiebungen nach Tadschikistan. Nicht oppositionell genug, in: taz vom 05. November 2024

Eilverfahren abgelehnt. Mann trotz Protesten aus dem Kreis Kleve nach Tadschikistan abgeschoben, in: Rheinische Post vom 07. November 2024

Mann offenbar verhaftet. Abschiebung aus dem Kreis Kleve – „müssen ein Veto einlegen können“, in: Rheinische Post vom 11. November 2024

Kleve: Umstrittene Abschiebung nach Tadschikistan, in: WDR, Lokalzeit aus Duisburg vom 21. November 2024