Dortmund: 2 Jahre nach Abschiebung von Abdullohi Shamsiddin in tadschikische Haft kämpft sein Freundeskreis weiter um seine Freilassung und Rückkehr

Zwei Jahre nach der Abschiebung des zweifachen Familienvaters Abdullohi Shamsiddin aus Dortmund direkt in tadschikische Haft versammeln sich seine in einem Freundeskreis zusammengeschlossenen Freund:innen und engsten Angehörigen am morgigen Samstagnachmittag, 18. Januar 2025 erneut zu einer Mahnwache in Dortmund. Seit zwei Jahren kämpfen sie um Aufklärung und fordern seine Freilassung und Rückkehr. Sie fordern den Stopp von menschenrechtsverletztenden Abschiebungen nach Tadschikistan.

Rückblick:
Abdullohi Shamsiddin war am 18. Januar 2023 nach über zehn Jahren Aufenthalt in Deutschland von der Stadt Dortmund nach Tadschikistan abgeschoben worden. Er verschwand zunächst an bis heute unbekanntem Ort, befand sich dann in tadschikischer Haft und wurde schließlich Ende März 2023 zu einer siebenjährigen Haftstrafe verurteilt, aus politisch motivierten Gründen und als Angehöriger einer in Tadschikistan verbotenen Oppositionspartei. Mittlerweile ist Shamsiddin von der Working Group on Enforced or Involuntary Disappearances der Vereinten Nationen (Arbeitsgruppe für erzwungenes oder unfreiwilliges Verschwinden von Personen) als Betroffener von erzwungenem Verschwindenlassen direkt nach seiner Abschiebung eingestuft worden. Das Verschwindenlassen folgte direkt auf die Abschiebung aus Dortmund am 18. Januar 2023 nach Ankunft am frühen Morgen des 19. Januar 2023 am Flughafen Duschanbe. Bis heute unaufgeklärt ist, wo Herr Shamsiddin nach Übergabe seitens der Bundespolizei am Flughafen Duschanbe vom 19. Januar 2023 bis 27. Januar 2023 festgehalten worden ist. Die tadschikischen Behörden sprechen von einer Inhaftierung erst ab 27. Januar 2023. Deutschland hat das Internationale Übereinkommen zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen ratifiziert. Berichten zufolge soll Shamsiddin in Tadschikistan auch gefoltert worden sein. Die Abschiebung aus Deutschland war auch wegen dreier Vorstrafen des Mannes forciert worden.

Obwohl das Auswärtige Amt den Fall und dessen Folgen selbst beobachtet und dokumentiert hat, sind daraus bis heute keine Konsequenzen erfolgt. Im Gegenteil: nach dem Fall Abdullohi Shamsiddin gab es mindestens zwei weitere Abschiebungen aus Deutschland direkt in tadschikische Verfolgung und Haft. Im Herbst 2023 traf es Bilol Qurbonaliev, der nach der Abschiebung in Tadschikistan zu zehn Jahren Strafhaft verurteilt worden ist. Und im November 2024 betraf es Dilmurod Ergashev aus Kleve, der direkt nach seiner Abschiebung in den Händen der tadschikischen Behörden verschwand, für zwei Monate in Untersuchungshaft genommen worden ist und dessen Verbleib danach aktuell unaufgeklärt ist. Berichten zufolge soll er gefoltert worden sein. Ergashev hatte in Deutschland auch gegen die Abschiebung von Abdullohi Shamsiddin protestiert, wie Fotos zeigen.

Angesichts fortwährender Abschiebungen aus Deutschland in die direkte Inhaftierung in Staaten wie Aserbaidschan, der Russischen Föderation oder Tadschikistan forderte der menschenrechtspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion und nordrhein-westfälische Abgeordnete Frank Schwabe ein Vetorecht des Auswärtigen Amtes, wenn Abschiebungen in Haft und Folter drohten. Er plädierte dafür, dass Bundesinnen- und außenministerium dafür ins Gespräch kommen. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch ordnete das Zusammenwirken der deutschen und der tadschikischen Behörden bei den Abschiebungen jüngst in einer Anhörung im Bundestag in den Kontext der „Transnational Repression“ ein. Dies wird als eine Strategie verstanden, die von ausländischen Regierungen ausgeht, um Mitglieder der Diaspora- und Exilgemeinschaften einzuschüchtern, zum Schweigen zu bringen oder zu schädigen, um sie an der Ausübung ihrer Grundrechte, die im deutschen Grundgesetz definiert sind, zu hindern.

Auch juristisch kämpft Abdullohi Shamsiddin weiter um seine Rechte. Ein Verfahren gegen das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ist seit nunmehr 25 Monaten weiterhin in der Hauptsache beim Verwaltungsgericht Gelsenkirchen anhängig. Das Gericht hatte im Januar 2023 in zwei Eilrechtsbeschlüssen vorläufigen Rechtsschutz vor der drohenden Abschiebung verwehrt, was sich im Nachgang als fataler Irrtum herausgestellt hat. Deutschland darf niemanden abschieben, der anschließend von Folter und rechtsgrundloser Inhaftierung betroffen sein kann.

Immerhin konnten engste Angehörige jüngst ein Videotelefonat mit Herrn Shamsiddin führen, allerdings von tadschikischen Sicherheitsbeamten begleitet. Shamsiddin konnte nicht frei sprechen und wirkte zwei Jahre nach der Abschiebung deutlich gealtert, wohl eine direkte Folge der Haftbedingungen.

Sebastian Rose, Abschiebungsreporting NRW, Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V.:

Wir fordern die Bundesregierung auf, sich für die sofortige Freilassung und Rückkehr nach Deutschland von Abdullohi Shamsiddin einzusetzen. Die bilateralen Beziehungen sind intensiv, 2023 und 2024 haben Bundeskanzler Scholz und Bundespräsident Steinmeier den tadschikischen Machthaber Rahmon bilateral getroffen. Die nordrhein-westfälische Landesregierung und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge müssen dafür sorgen, dass sich solche Abschiebungen nicht wiederholen. Abschiebungen in Haft und Folter sind verboten.“

Kontakt
Abschiebungsreporting NRW
Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V., Köln
Sebastian Rose
Telefon 0221 / 972 69 32
Mobil 01575 / 40 35 862
E-Mail: rose (at) abschiebungsreporting.de
www.abschiebungsreporting.de

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