Will die Stadt Dortmund einen tadschikischen Oppositionellen abschieben?

32-jähriger Mann seit 9 Tagen im Abschiebegefängnis Büren

Tadschikische Menschenrechtler:innen in Europa und den USA sowie zahlreiche solidarische Menschen in Dortmund schlagen seit über einer Woche Alarm: Einem 32-Jährigen Familienvater zweier Kleinkinder (1, 3) droht die Abschiebung nach Tadschikistan. Der Mann lebt seit 2009 in Deutschland, da ihm als Sohn eines führenden Oppositionspolitikers in seinem Herkunftsland Folter und Inhaftierung drohen.

Der Vater des Mannes hat schon vor einigen Jahren Flüchtlingsschutz in der Europäischen Union erhalten, da er wegen seiner gehobenen Stellung in einer in Tadschikistan verbotenen Oppositionspartei (IRPT) besonders gefährdet ist. Mitgliedern der Partei droht Verfolgung und unmenschliche Behandlung.

Aufgrund der hohen Gefährdungslage für tadschikische Oppositionelle auch im Ausland, hatte der Mann seit 2009 unter einem anderen Namen in Deutschland gelebt. Wie Menschenrechtler:innen berichten, sind tadschikische Behörden auch im Ausland sehr aktiv. 2022 hat der Mann dann seine tatsächliche Identität offengelegt.

Ein erster Abschiebeversuch am 12. Dezember 2022 wurde nach einer Selbstverletzung des Mannes erst am Flughafen München abgebrochen. Seither hält die Stadt Dortmund den Mann im Abschiebegefängnis Büren gefangen. Am vergangenen Samstag demonstrierten rund 40 Menschen vor der Ausländerbehörde in Dortmund und forderten den Stopp der Abschiebung. Und auch der Direktor der Abteilung Europa und Zentralasien von Human Rights Watch forderte die deutschen Behörden dringend auf, den Fall des Mannes neu zu prüfen.

Sebastian Rose, Abschiebungsreporting NRW, Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V.:

„Wir fordern die Stadt Dortmund und das Ministerium für Flucht und Integration auf, die geplante Abschiebung des Mannes sofort zu stoppen und ihn noch vor Weihnachten aus der Abschiebehaft zu entlassen. Ihm ist Gelegenheit zu geben, ein neues, faires Asylverfahren beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zu führen, ohne Angst vor einer Abschiebung und der Trennung von Ehefrau und Kindern.“

Die tadschikischen Menschenrechtler:innen weisen auch auf einen dramatischen Fall aus Österreich aus 2020 hin. Die dortigen Asylbehörden hatten einem Mann Asyl verweigert und ihn nach Tadschikistan gebracht. Dort wurde er dann nach Angaben von Human Rights Watch aufgrund von vagen Anschuldigungen zu 20 Jahren Gefängnis verurteilt. Wenige Monate später hatte ein österreichisches Gericht die Entscheidung der Behörden dann für rechtswidrig erklärt und diese zu einer Rückholung des Mannes verpflichtet.

Das Abschiebungsreporting NRW weist auf die hohe Verantwortung des Landes Nordrhein-Westfalen im Hinblick auf Abschiebungen nach Tadschikistan hin. Die NRW-Behörden arbeiten eng mit den tadschikischen Behörden zusammen. So hatte die Zentrale Ausländerbehörde Essen (ZAB) im Juni 2022 erstmals eine Delegation von Vertreter:innen der tadschikischen Botschaft zu Gast. Gemeinsam mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und den tadschikischen Gästen führte die ZAB Essen eine Sammelanhörung durch, um Abschiebungen nach Tadschikistan vorzubereiten und Passersatzpapiere zu beschaffen. Abschiebungen nach Tadschikistan müssen politisch außerdem im Kontext einer fortschreitenden Annäherung der Europäischen Union mit dem Land bewertet werden, trotz verheerender Menschenrechtslage.

Kontakt:
Abschiebungsreporting NRW
Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V.
Sebastian Rose
Telefon 0221 / 972 69 32
Mobil 01575 / 40 35 862
E-Mail: rose(at)abschiebungsreporting.de
Twitter: @abschiebung_nrw

Presseberichte:
Umstrittene Abschiebung eines Dortmunders. In den Fall kommt erneut Bewegung, in: Ruhr Nachrichten vom 21. Dezember 2022

„Ich warte auf ihn“. Dortmunder setzen sich vor Abschiebung für Abdullohi S. ein, in: Ruhr Nachrichten vom 16. Dezember 2022

Son Of Tajik Opposition Politician Faces Extradition From Germany, in: RFE/RL`s Tajik Service vom 13. Dezember 2022

Сын члена ПИВТ будет депортирован из Германии, in: AZDA TV vom 13. Dezember 2022

Weitere Presseberichterstattung:

Umstrittene Abschiebung eines Tadschiken. Jetzt gibt es eine Klage gegen die Stadt Dortmund, in: Ruhr Nachrichten vom 28. Dezember 2022

Drohende Abschiebung nach Tadschikistan. Doppelte Bestrafung, in: taz vom 29. Dezember 2022

Abschiebung nach Tadschikistan. Entscheidung über Eilantrag von Abdullohi S. (32) ist gefallen, in: Ruhr Nachrichten vom 06. Januar 2023

Abschiebung um jeden Preis: Gericht ist unnachgiebig, in: taz vom 12. Januar 2023

Fall Abdullohi Shamsiddin: Abschiebung vor dem Beweis, in: taz vom 18. Januar 2023

Германия все-таки депортировала на родину сына таджикского оппозиционера? In: Радио Озоди vom 18. Januar 2023