Ausländerbehörden als Orte der Angst

Immer wieder werden Menschen, die zu Terminen in Ausländerbehörden geladen werden, dort hinterrücks festgenommen. Der Kreis Siegen-Wittgenstein machte bundesweit Schlagzeilen, als er im Februar 2022 eine Mutter dreier kleiner Kinder im Amt festnehmen ließ. Die Frau hatte dort vorgesprochen, um über ein Ausbildungsangebot für sie zu berichten. Die Behörde dagegen beantragte Abschiebehaft, um die Frau wenige Tage später gemeinsam mit Ehemann und den Kindern nach Aserbaidschan abzuschieben. Nach viel Protest und der Einleitung eines Petitionsverfahrens beim Landtag kam die Frau nach wenigen Tagen wieder frei.

Dies ist kein Einzelfall, sondern eine strukturell vorhandene Praxis, wie dem Abschiebungsreporting NRW immer wieder gemeldet wird. Doch die Landesregierung will von all dem nichts wissen. Im Landtag danach gefragt, wie viele Fälle ihr seit 2017 bekannt seien, in denen Menschen ohne dauerhaften Aufenthaltsstatus bei einem Behördentermin ohne vorherige Ankündigung für eine Abschiebung festgenommen worden sind, antwortet die Landesregierung: Eine Statistik im Sinne der Fragestellungen liege der Landesregierung nicht vor (LT-Drs. 18/2102, Antwort der Landesregierung vom 08. Dezember 2022 auf Anfrage „Landesweit unmenschliche Festnahmen von Geflüchteten bei Routine-Terminen in Ausländerbehörden – Wie ist die Praxis in NRW?“).

Die Standardantwort einer Landesregierung, könnte man sagen. Bewusst schmallippig. Doch das Desinteresse der Landesregierung kommt auch dadurch zum Ausdruck, dass sie die Kommunen nicht einmal angefragt und um Auskunft gebeten hat. Denn die müssen ja wissen, was sie tun. Auch hätte ein Gespräch mit Menschen, die regelmäßig ihre Termine in Ausländerbehörden wahrnehmen müssen, Hinweise auf die richtige Antwort geben. Landes- und auch bundesweit sind Ausländerbehörden immer auch Orte der Angst, Rhetorik von Willkommensbehörden hin oder her. Auch dem Abschiebungsreporting NRW wird immer wieder von Festnahmen in Ausländerbehörden berichtet, zuletzt aus Gütersloh und dem Rhein-Sieg-Kreis.

Vielfach erfolgen die Festnahmen völlig unerwartet. In Köln nahm die Ausländerbehörde im Herbst 2021 einen erkrankten Mann im Beisein seiner Sozialarbeiterin fest, um ihn in Abschiebehaft zu verbringen. Wenige Tage später erfolgte die Abschiebung, unter abruptem Abbruch einer Substitutionsbehandlung. In Versmold nahmen die Behörden einen konvertierten Christen bei einem Routinetermin im Rathaus fest und schoben ihn ab. Die evangelische Kirchengemeinde erhob schwere Vorwürfe. Und im Kreis Siegen-Wittgenstein sind Festnahmen im Amt regelmäßige Praxis, auf die das lokale Bündnis Recht Zu Bleiben immer wieder hinweist. Vor mehreren Monaten wurde darüber auch bekannt, dass die Landesregierung den kommunalen Ausländerbehörden Hand- und Fußfesseln aus Stahl als Standardausrüstung empfiehlt.

Das fehlende Problembewusstsein der Landesregierung, das in der Antwort auf die Landtagsanfrage zum Ausdruck kommt, hilft nicht weiter. Es muss darüber gesprochen werden, was in den Ausländerbehörden passiert. Jan Böhmermann hat vorletzte Woche im ZDF Magazin Royale diesem Thema breite Öffentlichkeit beschert. Unser aller Aufgabe ist es, auch die regelmäßigen Festnahmen in den Ämtern wahrzunehmen, den davon Betroffenen zuzuhören und darüber zu sprechen. Öffentlich bekannt werden die Berichte über Festnahmen in den Ausländerbehörden nämlich nur, wenn mutige Betroffene darüber sprechen und Initiativen und Gruppen Öffentlichkeit schaffen, wenn engagierte Kommunalpolitik nachfragt, was in den eigenen Behörden passiert.