Abschiebung in die Hochwasserkatastrophe in Pakistan

Bayerischer Flüchtlingsrat, Abschiebungsreporting NRW und Hum Hain Pakistan e.V.: Heutige Sammelabschiebung nach Pakistan ist eine humanitäre Bankrott-Erklärung

Gemeinsame Presseinformation, 06. September 2022

Am heutigen Dienstagmorgen, den 06. September, startete ein Sammelabschiebeflug von München nach Islamabad, Pakistan. In ein Land, das derzeit von Überschwemmungen von katastrophalem Ausmaß betroffen ist. Seit Juni leidet Pakistan unter massiven Regenfällen, ein Drittel des Landes steht mittlerweile unter Wasser. Die Flutkatastrophe hat bereits weit mehr als 1.000 Menschenleben gekostet, Millionen weitere Menschen haben ihr Zuhause verloren.

Während die pakistanische Regierung von einer „Klimakatastrophe epischen Ausmaßes“ spricht und die Vereinten Nationen Nothilfen von mehreren hundert Millionen Euro zur Verfügung stellen, führt Deutschland einen Sammelabschiebeflug mitten in diese Ausnahmesituation durch. Besonders zynisch: Pakistan gehört zu den mit am stärksten von Klimawandel und extremen Wetterereignissen betroffenen Ländern. Deutschland als Industrienation hingegen sollte eine besondere Verantwortung im Kampf gegen die Erderwärmung zukommen.

Menschen gegen ihren Willen in das pure Chaos abzuschieben, ist keine Übernahme von Verantwortung, sondern eine humanitäre Bankrott-Erklärung,“ erklärt Samar Khan von Hun Hain Pakistan e.V. „Durch massive Monsunfluten steht Pakistan inmitten einer Katastrophe unvorstellbaren Ausmaßes. Die Vereinten Nationen schicken Nothilfen nach Pakistan, Deutschland schiebt vulnerable Personen dorthin ab. Diese menschenfeindliche Chuzpe ist unbeschreiblich.“

In Bayern und Baden-Württemberg saßen in den letzten Tagen mehrere Menschen aus Pakistan in Abschiebehaft. Viele von ihnen kommen aus der Punjab-Provinz, wo einige Regionen massiv mit den Folgen der Flut zu kämpfen haben. H. aus Holzkirchen/Ingolstadt lebte seit 2015 in Deutschland. Er saß zuletzt in Abschiebehaft am Münchner Flughafen und war verzweifelt. Sein Heimatdorf in der Punjab-Provinz steht unter Wasser. Dennoch soll er dorthin zurück. Seine Familie vor Ort hat alles verloren. H. hat aktuell ein Arbeitsangebot für einen Imbiss. Bereits in der Vergangenheit mangelte es ihm nicht an Arbeitsmöglichkeiten, sondern an der Erlaubnis durch die Ausländerbehörde. Auch Nordrhein-Westfalen schiebt regelmäßig nach Pakistan ab – eine Beteiligung an diesem Flug ist bislang noch unklar.

Auch bei diesem Abschiebeflug trifft es Personen, die für das geplante Chancenaufenthaltsrecht in Frage kommen. Einige Bundesländer haben Vorgriffsregelungen erlassen, um so etwas zu vermeiden. Andere – wie Bayern – schaffen Tatsachen und schieben munter weiter ab,“ so Johanna Böhm vom Bayerischen Flüchtlingsrat. „Gemeinsam mit Abschiebungsreporting NRW und Hum Hain Pakistan e.V. fordern wir von der Bundesregierung die jeweiligen Länder anzuweisen, diese Praxis sofort zu unterlassen. Dann hätten Ausländerbehörden auch wieder mehr Kapazitäten, über Anträge auf Arbeitserlaubnisse oder Aufenthaltstitel zu entscheiden, die in nicht wenigen Fällen mehrere Monate bis Jahre liegen bleiben.“

Sebastian Rose, Abschiebungsreporting NRW, Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V., erklärt abschließend:
„Schon 2021 stand Pakistan mit 513 abgeschobenen Menschen bundesweit auf Platz 4 bei den Abschiebungen aus Deutschland. Monat für Monat wurden Menschen in Abschiebehaft genommen und kompromisslos abgeschoben. Angesichts der Jahrhundertkatastrophe in diesen Tagen in Pakistan braucht es ein Umdenken. Abschiebungen nach Pakistan müssen umgehend ausgesetzt werden!“

Bei Rückfragen und Interviewwünschen wenden Sie sich bitte an:

Johanna Böhm |Bayerischer Flüchtlingsrat | Mobil: 0179 – 13 98 117
Samar Khan | Hum Hain e.V. | 0176 – 83117205
Sebastian Rose | Abschiebungsreporting NRW, Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V. | Mobil 01575 – 40 35 862

Hintergrund:
Nach Angaben der Landesregierung wurden im Jahr 2021 insgesamt 91 Menschen aus Nordrhein-Westfalen nach Pakistan abgeschoben.


Presseinformation als pdf

Presseberichte

Flüchtlingsorganisationen verurteilen Abschiebungen nach Pakistan, in: evangelisch.de vom 06. September 2022 (Meldung des Evangelischen Pressedienstes)

Germany criticized over forced returns to crisis-hit Pakistan, in: infomigrants.net vom 06. September 2022

Abschiebeflug aus München. Abschiebung nach Pakistan ist humanitäre Bankrotterklärung, in: MiGAZIN vom 06. September 2022

Abschiebung in die Katastrophe. Flüchtlingsinitiativen kritisieren Ausweisungen in das von Überschwemmungen betroffene Pakistan. In: nd vom 07. September 2022

Kritik an Abschiebungen ins Hochwassergebiet Pakistan, in: ZEIT online vom 08. September 2022 (Meldung der Deutschen Presseagentur)

Kritik an Abschiebungen ins Hochwassergebiet Pakistan, in: Süddeutsche Zeitung vom 08. September 2022 (Meldung der Deutschen Presseagentur)

L’Allemagne poursuit ses expulsions vers le Pakistan malgré les inondations, in: infomigrants.net vom 09. September 2022