Katholischer Konvertit landet nach Abschiebung aus Wuppertal in Mauretanien mit hoher Wahrscheinlichkeit im Gefängnis: auf Konversion droht die Todesstrafe

Gemeinsame Meldung von Abschiebungsreporting NRW, der Unabhängigen Flüchtlingsberatung Wuppertal, dem Verein „Hilfe für Menschen in Abschiebehaft Büren e.V.“ und PRO ASYL

Wieder ist ein Mann aus Nordrhein-Westfalen direkt nach seiner Abschiebung von staatlicher Verfolgung bedroht. Nach der Abschiebung aus Wuppertal hat sich ein junger Mann nach eigenen Angaben aus dem Gefängnis in Nouakchott, Mauretanien gemeldet. Ihm soll dort der Prozess wegen so genannter Apostasie gemacht werden, dem „Abfall vom (muslimischen) Glauben“. Nach Artikel 306 des mauretanischen Strafgesetzbuches kann dafür nach Angaben von Amnesty International auch die Todesstrafe verhängt werden. Der Islam ist in Mauretanien die einzige offiziell zugelassene Religion.

Der Mann, der Mitte zwanzig ist und 2018 für die Aufnahme eines Studiums nach Deutschland gekommen war, war im Juli 2023 mit einem Einzelcharter-Flugzeug vom Flughafen Düsseldorf nach Mauretanien abgeschoben worden. Zuvor hatte ihn die Stadt Wuppertal seit März 2023 über vier Monate im Abschiebegefängnis Büren inhaftieren lassen. In Wuppertal hatte er über mehrere Monate einen Vorbereitungskurs zum Eintritt in die römisch-katholische Kirche besucht, war vom Kölner Erzbischof zur Taufe zugelassen worden und schließlich in der Abschiebehaft getauft worden und damit zum Christentum konvertiert.

„Als Nicht-Muslim aus der Islamischen Republik Mauretanien droht mir Verfolgung, Ausgrenzung, Inhaftierung und sogar die Todesstrafe. Ich bin in Mauretanien überall einer starken Einschränkung meiner Menschenrechte ausgesetzt. Außerdem ist mir als tätowierter nicht- muslimischer Konvertit zum Christentum ein normales Leben und auch nur die Freiheit nach meiner Rückkehr völlig verwehrt“, schrieb der Mann noch wenige Tage vor seiner Abschiebung in einer von ihm veröffentlichten Online-Petition.

Sein Taufpate Pastoralreferent Dr. Werner Kleine von der Katholischen Citykirche Wuppertal erklärt:

„Bereits in den ersten Gesprächen wurde sein großes Interesse am christlichen Glauben sichtbar. An seinem Taufwunsch und dessen Echtheit bestand meinerseits keinerlei Zweifel. Deshalb habe ich mich bereit erklärt, sein Taufpate zu sein.“

Die schlimmsten Befürchtungen des Mannes scheinen nun wahr geworden zu sein. Das Abschiebungsreporting NRW, die Unabhängige Flüchtlingsberatung Wuppertal, der Verein „Hilfe für Menschen in Abschiebehaft Büren e.V.“ und PRO ASYL kritisieren die Abschiebung und die Dauer und Umstände der Abschiebehaft scharf und verlangen Aufklärung.

Sebastian Rose, Abschiebungsreporting NRW, Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V.:

„Wieder landet ein Mann direkt nach seiner Abschiebung aus Nordrhein-Westfalen im Gefängnis und wird staatlicherseits verfolgt. Das Auswärtige Amt und die Deutsche Botschaft in Nouakchott müssen tätig werden und sich für eine Freilassung des Mannes einsetzen! Die nordrhein-westfälische Landesregierung muss dafür sorgen, dass solche Abschiebungen zukünftig unterbleiben.“

Der abgeschobene Mann wurde nicht in Mauretanien geboren und ist dort nicht aufgewachsen. Er hat fast nie dort gelebt und spricht nicht den örtlichen Dialekt.

Einzelrichter in Minden weist Asylbegehren zurück

Aus dem Abschiebegefängnis Büren stellte der junge Mann erstmals einen Asylantrag. Die Anhörung im Asylverfahren durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge erfolgte in der Abschiebehaft unter den für den Mann erheblichen Stressbedingungen wenige Tage nach dem ersten gescheiterten Abschiebeversuch im März 2023. Doch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und das Verwaltungsgericht Minden sahen keinen Schutzbedarf. Ein Einzelrichter des Gerichtes bewertete die geltend gemachte Hinwendung des Mannes zum Christentum als nicht glaubhaft. Der Richter war der Meinung, dass dem Mann nach Rückkehr nach Mauretanien keine Sanktionen drohen würden. Eine folgenschwere Fehlentscheidung, die aktuell durch die Inhaftierung eine massive Menschenrechtsverletzung für den Mann bedeutet. Auch eine spätere Petition beim nordrhein-westfälischen Landtag mit der Bitte um Aufschub der Abschiebung fand kein Gehör.

Vier Monate Abschiebehaft/ Einzelcharter nach Mauretanien

Auch die Umstände der Abschiebung und der monatelangen Inhaftierung im Abschiebegefängnis Büren sind gravierend. Die Ausländerbehörde der Stadt Wuppertal hat hierfür einen enormen personellen – und vermutlich auch finanziellen – Aufwand betrieben, um die Abschiebung um jeden Preis durchzusetzen. Dies ist auch skandalös vor dem Hintergrund, dass die Behörde bekanntermaßen schon seit Jahren ihren Pflicht- und Routineaufgaben (bspw. Entscheidung über Anträge auf Erteilung oder Verlängerung von Aufenthaltserlaubnissen) oft genug erst mit erheblichen Verspätungen nachkommt. Das wird stets mit der angespannten Personalsituation begründet.

Am 09. März 2023 war der Mann in der Ausländerbehörde der Stadt Wuppertal festgenommen worden, um die Abschiebung durchzuführen. Aus Angst davor schluckte er eine Büroklammer und kam in stationäre Behandlung. Diese Verzweiflungshandlung wurde anschließend zur Grundlage für die Inhaftierung im Abschiebegefängnis Büren gemacht. Dort wurde der Mann über insgesamt 54 Tage durchgängig in einer 15-Minuten-Lebendkontrolle überwacht. Das heißt, er wurde alle 15 Minuten kontrolliert, auch nachts.

Für den 10. Juli 2023 charterten die Behörden dann einen Einzelcharter für die Abschiebung. Der Mann war der einzige „Passagier“, begleitet von Bundespolizeibeamt:innen. Einzelcharter stehen in der Kritik, weil sie zehntausende Euro kosten. In der Regel werden damit als besonders gefährlich eingestufte Personen oder schwerst erkrankte Menschen abgeschoben. Bei dem Mann lagen allerdings keinerlei strafrechtliche Verurteilungen vor. Er wollte nur ein sicheres Leben in Deutschland führen und seinen Glauben frei praktizieren können.

Kontakt:
Abschiebungsreporting NRW
Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V., Köln
Sebastian Rose
Telefon 0221 / 972 69 32
Mobil 01575 / 40 35 862
E-Mail: rose (at) abschiebungsreporting.de

Katholische Citykirche Wuppertal
Pastoralreferent Dr. Werner Kleine
Tel.: 0202-42969674 oder 0202-6952721
info (at) katholische-citykirche-wuppertal.de

Unabhängige Flüchtlingsberatung Wuppertal
Inken Vollmering
inken.vollmering (at) ufbw.de

Hilfe für Menschen in Abschiebehaft Büren e.V.
Frank Gockel
Telefon 0171 / 47 59 240
E-Mail: gockel (at) gegenAbschiebehaft.de


PRO ASYL
Telefon 069 24 23 14 30
E-Mail: presse (at) proasyl.de

Mehr:
Online-Petition: Meine Abschiebung stoppen, damit das Todesurteil nicht über mich verhängt wird, 06. Juli 2023

Hintergrund:

Das Projekt „Abschiebungsreporting NRW“ hat im August 2021 seine Arbeit aufgenommen. Es macht besonders inhumane Aspekte der Abschiebungspraxis in Nordrhein-Westfalen an Einzelfällen öffentlich und nimmt besondere Härten bei Abschiebungen in den Blick. Mehr Informationen finden Sie auf der Website.

Der Verein „Hilfe für Menschen in Abschiebehaft Büren e.V.“ unterstützt seit 1994 Menschen in Deutschland größtem Abschiebegefängnis. Er vermittelt die Betroffenen zu Anwält*innen, stellt Kontakt zu Angehörigen her, versorgt die Betroffenen mit Telefonkarten und Kleidung und ist oft auch einfach nur da, um die Sorgen und Nöte der Betroffenen anzuhören. Durch Vorträge und Pressearbeit versucht der Verein auf die Situation der Menschen in Abschiebehaft aufmerksam zu machen. Wer so nah den Menschen in der Abschiebehaft beisteht und dadurch das menschenverachtende System miterlebt, kann nur die Abschaffung der Abschiebehaft fordern. Mehr Information finden Sie unter www.gegenAbschiebehaft.de

Presseberichte

Abschiebung: In Mauretanien droht Sidi der Tod, in: nd vom 24. August 2023

Nach der Abschiebung aus Wuppertal droht Todesstrafe, in: wdr.de (Video Lokalzeit Bergisches Land) vom 24. August 2023

Kritik in Wuppertal an Ausländerbehörde, Gericht und Abschiebehaft, in: Westdeutsche Zeitung vom 25. August 2023

Warum einem Katholiken in Mauretanien die Todesstrafe droht. „Möglichst große Hilfe zukommen lassen“, in: domradio.de vom 25. August 2023

Bericht in „Kompakt“, in: wdr.de (Lokalzeit Bergisches Land) vom 25. August 2023 (ab min 11:06)

Aus dem Erzbistum. Zwischen Freiheit und Tod, in: Kirchenzeitung für das Erzbistum Köln vom 25. August 2023 (Ausgabe 34/23)

Nach Abschiebung. Mauretanier in Wuppertal getauft, jetzt inhaftiert, in: Wuppertaler Rundschau vom 23. September 2023

20 Menschen wurden 2022 in Wuppertal abgeschoben, in: Westdeutsche Zeitung vom 26. September 2023

Aus Wuppertal abgeschobener Mauretanier wird Thema für die Bundesregierung, in: Westdeutsche Zeitung vom 09. Oktober 2023

WZ-Kommentar zum abgeschobenen Mauretanier: Einfach mal machen lassen, in: Westdeutsche Zeitung vom 09. Oktober 2023

Politische Aufarbeitung

Antwort der Stadt Wuppertal auf Große Anfrage im Stadtrat, 04. September 2023

Antwort der Bundesregierung vom 24. Oktober 2023 auf Kleine Anfrage im Bundestag (BT-Drs. 20/9025)